Planetarium Hamburg: die Expedition „Uhrwerk Ozean“

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Aus dem Planetarium Hamburg kennen wir bereits die Expedition „Uhrwerk Ozean“. Wer von Zeppelinen hört, denkt meist an die großen Luftschiffe, mit denen die Deutsche Zeppelin-Reederei in den 1920ern und 1930ern Passagiere und Post etwa nach Amerika brachte. Moderne Zeppeline, wie sie seit Mitte der 1990er Jahre in Friedrichshafen am Bodensee gebaut werden, sind dagegen reine Passagierschiffe – oder sie dienen der Forschung.

Nicht im Planetarium Hamburg zu sehen: der Zeppelin NT

Der Zeppelin NT über der Ostsee. (#1)

Der Zeppelin NT über der Ostsee. (#1)

Einer dieser Zeppeline NT (NT steht für „Neue Technologie“) ist mit einem breiten Spektrum von Sensoren ausgestattet. Im Juni war dieses Forschungs-Luftschiff für die Forschungskampagne „Uhrwerk Ozean“ mehrere Tage über der Ostsee unterwegs. Auftraggeber war das Institut für Küstenforschung des nahe Hamburg gelegenen Helmholtz-Zentrums Geesthacht. Es war weltweit der erste Einsatz eines Zeppelin NT in der Meeresforschung. Ziel war ein 150 Quadratkilometer großes Seegebiet rund um die dänische Insel Bornholm. Der Zeppelin war während dieser Zeit auf der Insel Usedom stationiert.

Der Zeppelin NT wartet auf seinen nächsten Einsatz. (#6)

Der Zeppelin NT wartet auf seinen nächsten Einsatz. (#6)

Die Expedition und der Film für Planetarium Hamburg & Co.

Seit einigen Jahren untersuchen Forscher unter dem Dach der Expedition „Uhrwerk Ozean“ auf der ganzen Welt kleine Wasserwirbel im Meer, die bisher kaum erforscht sind. Meeresforscher aus Geesthacht haben unter dem gleichen Namen einen neun Minuten langen Film produziert, der die Zuschauer mit auf Expedition nimmt. Der Film zeigt in einer Kuppel den Ozean und die Arbeit der Forscher in 360-Grad-Perspektive. Erstmals gezeigt wurde er 2015 im Hamburger Planetarium. Doch auch in anderen Planetarien lief der Film bereits sehr erfolgreich.

So sehen Zusammenballungen von Cyanobakterien aus, die sich in einer Wirbelfront gesammelt haben. (#7)

So sehen Zusammenballungen von Cyanobakterien aus, die sich in einer Wirbelfront gesammelt haben. (#7)
 
Professor Dr. Burkard Baschek, Leiter der Expedition „Uhrwerk Ozean“ (#8) Professor Dr. Burkard Baschek, Leiter der Expedition „Uhrwerk Ozean“ (#8)

Allerdings braucht der Film für die Aufführung kein Planetarium. Das Forschungszentrum verfügt über eine mobile Kuppel, mit deren Hilfe „Uhrwerk Ozean“ auch auf Festivals und anderen öffentlichen Veranstaltungen gezeigt wird. Zudem lief der Film auch auf international renommierten Festivals. So gewann er im Mai 2016 den Special Award for Best in Science Visualisation des 10. Fulldome Festivals in Jena. Außerdem kann man ihn sich auf das Tablet oder Smartphone herunterladen. Und natürlich steht er auf YouTube. Die Zuschauer erleben den Zeppelin im Einsatz, tauchen an Fischen und Quallen vorbei und sind dabei, wenn die Meeresforscher die bisher nur selten beobachteten Wirbel untersuchen.

„Mit einem Durchmesser von etwa 100 Metern bis zu zehn Kilometern und einer Lebensdauer von wenigen Stunden bis zu einem Tag stellen diese kleinen Meereswirbel noch immer eines der großen Rätsel der Ozeanografie dar“, erklärt Prof. Dr. Burkard Baschek, Leiter am Institut für Küstenforschung des Helmholtz-Zentrums Geesthacht. Baschek hat die Expedition ins Leben gerufen.

Rätsel um die kleinen Meereswirbel

Aufzeichnung von Daten der am Zeppelin montierten Hyperspektral-Kameras. (#9)

Aufzeichnung von Daten der am Zeppelin montierten Hyperspektral-Kameras. (#9)

Baschek nimmt an, dass sie für den globalen Energie- und Temperaturhaushalt eine wichtige Rolle spielen, das Klima und nicht zuletzt die Wanderungen von Fischschwärmen beeinflussen. Leider sind sie für Satellitenkameras zu klein, Flugzeuge können nicht lange genug über ihnen verweilen. Der Zeppelin kann dagegen auch längere Zeit über einem Wirbel schweben. Eine der beiden Kameras ist eine Infrarotkamera. Sie kann Temperaturunterschiede von etwa 0,03 Grad messen. Mit ihr ließ sich die Temperaturverteilung im Wasser bestimmen. Gleichzeitig erfasste eine Multispektralkamera das Farbspektrum des Meerwassers. Daraus ließ sich ableiten, wie Mikroalgen auf den Wirbel reagierten.

Der elektrisch betriebene Motorsegler Stemme S10VTX wird von der Fachhochschule Aachen betrieben. (#4)

Der elektrisch betriebene Motorsegler Stemme S10VTX wird von der Fachhochschule Aachen betrieben. (#4)

So konnten die Wissenschaftler verfolgen, wie sich der kalte Kern des Wirbels mit dem wärmeren Wasser in den äußeren Bereichen vermischte und wie sich die Organismen im Meer verhielten. „Mit dieser Messtechnik erzielen wir eine Auflösung, die um eine Million genauer ist als die von Satelliten“, so Baschek weiter.

Dadurch konnten Baschek und seine Kollegen über sechs Stunden einen Wirbel von der Entstehung bis zur Auflösung beobachten. Zudem diente der Zeppelin auch als Leitstand für Forschungsflugzeuge und Schiffe, die sich ebenfalls an der Expedition beteiligten. Von der weiteren Auswertung ihrer Daten erhoffen sich Baschek und seine Kollegen neue Erkenntnisse über die Prozesse im Meer und ihren Einfluss auf unsere Lebensbedingungen.

Fast wie im Zeppelin: Der Kapitän des Forschungsschiffs „Ludwig Prandtl“ auf seiner Brücke. (#2)

Fast wie im Zeppelin: Der Kapitän des Forschungsschiffs „Ludwig Prandtl“ auf seiner Brücke. (#2)
 
Das Forschungsschiff „Ludwig Prandtl“ war unterwegs, um Wasserproben zu nehmen und die Meereswirbel näher zu untersuchen.  (#3) Das Forschungsschiff „Ludwig Prandtl“ war unterwegs, um Wasserproben zu nehmen und die Meereswirbel näher zu untersuchen. (#3)

Über der Ostsee war nicht nur der Zeppelin im Einsatz. Als erstes überflog ein Motorsegler vom Typ Stemme S10VTX ins vorgesehene Forschungsgebiet. Den Segler betreibt die Fachhochschule Aachen. Er kreiste jeden Tag in Höhen zwischen drei und fünf Kilometern über dem Seegebiet. Die Flieger an Bord informierten die Zeppelin-Besatzung und die ebenfalls teilnehmenden Schiffe, sobald sie einen Wirbel oder eine interessante Strömungsfront gesichtet hatten.

Zwei Forschungsschiffe und ein mit wissenschaftlichen Instrumenten ausgerüstetes Schnellboot erkundeten dann das ausgemachte Ziel. Die Ludwig Prandtl gehört ebenso wie das Schnellboot Eddy dem Forschungszentrum Geesthacht und ist in den küstennahen Gewässern von Nord- und Ostsee unterwegs.

An Bord der Ludwig Prandtl befindet sich ein Labor für die Untersuchung von Wasserproben; hinzu kommen zahlreiche Schleppsonden und andere Forschungsgeräte, die im Meer und unter Wasser Daten sammeln. Von Warnemünde aus beteiligte sich das Forschungsschiff Elisabeth Mann-Borghese des Leibniz-Instituts für Ostseeforschung an „Uhrwerk Ozean“.

Auch die neuen Zeppeline kommen vom Bodensee

Blick aus der Gondel des Zeppelins. (#5)

Blick aus der Gondel des Zeppelins. (#5)

Zeppeline neuer Technologie sind seit Anfang dieses Jahrhunderts in der Bodenseeregion im Einsatz. Hersteller ist die Zeppelin Luftschifftechnik GmbH & Co KG. Sie gehört zum Zeppelin-Konzern, der die Tradition der von Ferdinand Graf von Zeppelin gegründeten Unternehmen fortsetzt und auch die weltweit einzige Zeppelin-Fluggesellschaft betreibt. Der Zeppelin NT ist ein so genanntes halbstarres Luftschiff. Er verfügt über eine innere Tragestruktur aus Kohlenstoff-Faser und Aluminium-Längsträgern. Die Hülle ist gleichzeitig die einzige Gaszelle. Die historischen Zeppeline bestanden aus einer Rumpfkonstruktion mit einzelnen Gaszellen. 2011 verkaufte Zeppelin drei Luftschiffe als Werbeträger an den US-Reifenkonzern Goodyear. Das erste Schiff ist bereits abgeliefert, das zweite startete am 12. März 2016 Jahres zum Erstflug. Während der erste Goodyear-Zeppelin in Florida stationiert ist, soll der zweite am Goodyear-Standort in Kalifornien seine Heimatbasis haben.


Bildnachweis: © #1 Dr. Torsten Fischer, Helmholtz-Zentrum Geesthacht, #2 + #3 Christian Schmidt via Helmholtz-Zentrum Geesthacht, #4 + #5 + #9 Dr. Torsten Fischer, Helmholtz-Zentrum Geesthacht, Titelbild + #6 Helmholtz-Zentrum Geesthacht, #7 Professor Burkard Baschek, Helmholtz-Zentrum Geesthacht, #8 Patrick Kalb-Rottmann, Helmholtz-Zentrum Geesthacht

Über den Autor

Mein Beruf ist das Schreiben; ich arbeite als freier Journalist, Texter und Buchautor. Das reicht für Leben und Modellbau, also auch für das eigentliche Leben. Beruflich wie als Modellbauer interessiert mich die Luftfahrt, speziell die der großen Luftfahrtländer. Ich baue auch gerne mal etwas, das aus dem Rahmen fällt. Hauptantriebskräfte: Neugier, Kaffee und ein guter Witz.

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