Fast selbst ein Teufel: der Jagdflieger und Kunstflug-Spezialist Ernst Udet gehört im Guten wie im Bösen zu den herausragenden Figuren der deutschen Luftfahrtgeschichte. Udet machte sich während des Ersten Weltkriegs als Jagdflieger einen Namen, wurde danach Unternehmer und Kunstflieger, um 1935 in die neu gegründete Luftwaffe einzutreten.
Aufstieg und Fall des „General des Teufel“ im Dritten Reich
Er stieg zum Verantwortlichen für die Luftrüstung auf, war aber seiner Aufgabe und den für das Nazi-Regime typischen Intrigen nicht gewachsen. Am 17. November 1941 beging er Selbstmord. Der Schriftsteller Carl Zuckmayer war mit ihm befreundet und verarbeitete Udets Schicksal in dem Theaterstück „Des Teufel’s General“.
Frühe Jahre und Jagdflieger im 1. Weltkrieg
Ernst Udet kam am 26. April 1896 in Frankfurt zur Welt, wuchs aber in München auf. Udet begeisterte sich schon in der Jugend für die Fliegerei, war ab 1909 Mitglied eines Modellflugzeug-Vereins und machte eigene Gleitflugversuche. In der Schule war das spätere Fliegerass allerdings weniger erfolgreich und schaffte das Einjährigen-Examen 1913 nur mit Mühe. Als 1914 der Krieg ausbrach, meldete sich Udet freiwillig, wurde aber zunächst als untauglich abgewiesen. Das Militär hielt ihn für „zu klein“. Aber weil er Besitzer eines Motorrads war, wurde er als Melder in der 46. Württembergischen Reserve-Division an der Westfront eingesetzt. Trotzdem wäre seine soldatische Laufbahn zur Jahreswende beinahe zu Ende gewesen, denn das Heer kündigte alle Verträge mit freiwilligen Kradmeldern und schickte ihn wieder nach Hause.
Zurück in München, ließ er sich auf eigene Kosten zum Zivilpiloten ausbilden. Das führte dazu, dass er zur Fliegertruppe des Heeres versetzt wurde, die Feldpilotenprüfung ablegte und dann bis 1916 Beobachtungsflüge über der Westfront übernahm. Seine eigentliche Karriere als Jagdflieger begann bei der Artilleriefliegerabteilung 206, die Fokker E.III-Jäger flog. In diesem Verband erzielte er seine ersten Abschüsse und erhielt 1917 das Kommando über eine Jagdstaffel. Im März 1918 holte Manfred von Richthofen Udet in sein Geschwader. In diesem Verband traf er auf viele Persönlichkeiten, mit denen er auch später zusammen arbeiten sollte. Hermann Göring, Spitzname „Der Eiserne“, übernahm nach Richthofens Tod den Befehl über das Geschwader. Auch Robert Ritter von Greim, der später hohe Positionen bekleiden und sogar kurzzeitig 1945 Görings Nachfolge als Oberbefehlshaber der Luftwaffe antreten sollte, diente in dieser Einheit. Bis zum Waffenstillstand 1918 errang Udet 62 Luftsiege. Auch seinen späteren Freund Carl Zuckmayer lernte er während dieser Zeit kennen, als dieser zu einem Luftbeobachter-Lehrgang zum Richthofen-Geschwader abgeordnet war.
Die bittere Zeit nach dem Krieg – Udet wird Kunstflieger
Das Ende des 1. Weltkriegs und die Revolution trafen viele Flieger völlig unvorbereitet. Hinzu kamen die harten Bedingungen des Versailler Friedensvertrages, die zunächst jede fliegerische Betätigung und den Bau von Flugzeugen in Deutschland untersagten. Erst 1922 wurde dieses Verbot gelockert, dann 1926 zumindest für die zivile Luftfahrt wieder aufgehoben.
Udet konnte den drohenden sozialen Abstieg vermeiden, indem er sich mit Ritter von Greim zusammentat und auf Flugschauen sein fliegerisches Können beim Kunstflug vorführte. Außerdem stieg er in den zunächst verbotenen Flugzeugbau ein. Mit Startkapital der Gebrüder Pohl, zwei Deutschen, die ausgerechnet in den USA ein Vermögen gemacht hatten, richtete Udet bei Milbertshofen eine Werkstatt ein und gründete die Udet Flugzeugbau GmbH. Auch die Reichswehr trug diskret zur Firmengründung bei. Die Halle war abgedunkelt und durch Fußangeln gesichert, um nicht durch Überraschungsbesuche der Alliierten Kontrollkommission gestört zu werden. Die U 1 war ein mit 35 PS motorisiertes Kleinflugzeug und lag unter den Grenzen, die für den deutschen Flugzeugbau damals galten.
Die junge Firma stellte 1925 die zweisitzige U 12 „Flamingo“ vor, die als Schul- und Sportflugzeug große Beliebtheit erlangte. Etwa 240 „Flamingos“ wurden produziert, zunächst von Udet Flugzeugbau selbst, dann von den Bayerischen Flugzeugwerken, die die finanziell angeschlagene Firma 1926 übernahm. Udet hatte das Unternehmen bereits im Vorjahr wieder verlassen, um sich ganz der Kunstfliegerei zu widmen. Seine rote „Flamingo“ mit dem Kennzeichen D 822 war ein gern gesehener Gast auf Flugschauen.
Des Teufels Verlockungen im Im Zenith des Ruhms
Mit seiner waghalsigen Luftakrobatik wurde Udet schnell bekannt und lockte zehntausende von Besuchern zu seinen Vorführungen. Außerdem konnte man ihn für Werbeflüge buchen. Als er 1927 nach Berlin zog, gründete er dort mit der bekannten Fliegerin Thea Rasche die Udet Schleppschrift GmbH. Das Geschäft war lukrativ, aber weil Udet sein Geld oft schneller ausgab als er es verdiente, war das Flieger-As ständig verschuldet.
Er verblüffte das Publikum immer wieder mit fliegerischen Bravourstücken. So war er 1927 der erste Flieger, der auf der Zugspitze landete und von dort auch wieder startete. Oder 1930, als er nach einem Rennen mit dem bekannten Rennfahrer Rudolf Caracciola ein Taschentuch mit der Tragfläche vom Boden aufhob. Er trat in Filmen als souveräner Fliegerheld auf, so 1929 in „Die weiße Hölle vom Piz Palü“, in „Stürme über dem Montblanc“ oder 1933 in „SOS Eisberg“. Außerdem produzierte er selbst Filme, etwa „Fremde Vögel über Afrika“, die Verfilmung einer Afrika-Expedition.
Das alles brachte ihm auch internationale Berühmtheit. Er pflegte freundschaftliche Kontakte mit Fliegern, die im 1. Weltkrieg seine Gegner gewesen waren. Zudem führte er seine fliegerischen Künste auch in den USA vor und nahm dort an Luftrennen teil. Er war auch als Luftfahrtexperte gefragt und hielt gut bezahlte Vorträge.
Zu den Nazis hatte er zunächst ein distanziertes Verhältnis. „Schau dir die Armleuchter an“, sagte er zu seinen Freund Carl Zuckmayer auf dem Berliner Presseball am 29. Januar 1933, „jetzt haben sie alle schon ihre Klempnerläden aus der Mottenkiste geholt.“ Demonstrativ steckte Udet seinen Pour le merite in die Hosentasche und lehnte einige Zeit später ab, als ihm der frischgebackene Minister Göring eine Stellung anbot. Trotzdem übernahm er repräsentative Funktionen im neuen Staat und trat am 1. Mai in die NSDAP ein.
Karriere im Teufels-Regime
Göring finanzierte ihm den Kauf von zwei Curtiss „Hawk“-Sturzbomber, mit denen Udet weiter über die Flugtage zog. Von den Möglichkeiten dieser neuen Waffe fasziniert, setzte er sich für die Erprobung dieser Technik in Deutschland ein und gab schließlich dem Werben Görings und anderer Kameraden nach. Zum 1. Juni 1935 trat er als Oberst in die Luftwaffe ein und wurde Inspekteur der Jagd- und Sturzkampfflieger. Damit hatte Göring den populären Flieger an das Regime gebunden und konnte nun dessen Bekanntheit umso effektiver nutzen. Udet seinerseits wußte, dass er für die Führung großer Behörden nicht geeignet war und sträubte sich gegen weitere Beförderungen. Aber nach dem Unfalltod des Generalstabschefs Wever am 3. Juni 1936 hatte Udet keine Wahl mehr und übernahm den Posten, der ihn überfordern sollte – die Leitung des Technischen Amtes der Luftwaffe. Damit war er für die gesamte Forschung, Entwicklung und Beschaffung verantwortlich.
Im gleichen Jahr traf er seinen Freund Carl Zuckmayer zum letzten Mal. „Hier gibt es keine Menschen mehr“, offenbarte Udet und riet Zuckmayer, Deutschland zu verlassen. Er selbst sah sich durch einen Teufelspakt gebunden: „Ich bin der Luftwaffe verfallen. Ich kann da nicht raus. Aber eines Tages wird uns alle der Teufel holen.“
Göring hatte ihn auf diesen Platz gesetzt, um seinen ungleich fähigeren Staatssekretär Erhard Milch auszubremsen. So konnten ihm beide nicht gefährlich werden.
Dabei war Erhard Milch das eigentliche Mastermind beim Aufbau der Luftwaffe. Göring selbst war als Organisator und Manager genauso unfähig wie Udet. Göring fing bald an, Udets Kompetenzen zu beschneiden. Udet stieg zunächst weiter auf und forcierte die Entwicklung des Sturzkampfbombers, der in den ersten Kriegsjahren sehr erfolgreich war. Er traf aber auch Fehlentscheidungen wie die Sturzflugfähigkeit des schweren Bombers He 177. Der neue mittlere Bomber Junkers Ju 88 wurde so oft geändert, dass er erst verspätet frontreif wurde. Das Technische Amt der Luftwaffe wuchs zu einem unübersichtlichen Apparat mit 4000 Mitarbeitern heran, den Udet immer weniger kontrollieren konnte.
Abstieg und Scheitern – Udet wird zum Sündenbock
Udet entzog sich der ihm verhassten Büroarbeit, wo immer er konnte. Er nutzte sein Amt, um die neuen Kampfflugzeuge der Luftwaffe selbst Probe zu fliegen. Er flog auch die Heinkel He 100 V-8, mit der Hans Dieterle am 31. März 1939 den Weltgeschwindigkeits-Rekord für Propellerflugzeuge nach Deutschland geholt hatte. Allerdings hatte er das hochgezüchtete Rekordflugzeug beinahe kaputt geflogen. Die He 100 hatte keinen herkömmlichen Kühler. Stattdessen leitete ein Leitungssystem die heiße Kühlflüssigkeit in spezielle Wärmetauscher-Flächen an Rumpf und Tragflächen. Der Pilot musste die Kontrollen des Kühlsystems ständig überwachen. Aber Udet hatte die Einweisung ignoriert und fragte nach der Landung, warum im Cockpit so viele rote Lampen brannten. Die Ingenieure waren entsetzt – der Motor stand kurz vor der Überhitzung.
Das Technische Amt entglitt ihm mehr und mehr. Er flüchte sich in Alkoholexzesse, wurde krank. Als die Luftwaffe die Luftschlacht um England verlor und mit den Anforderungen des Russlandkriegs überfordert war, schob Göring die Schuld auf Udet ab. Der war durch die stagnierende Flugzeugproduktion und Probleme beim neuen Jäger Focke-Wulf 190 angreifbar. Udets Verbesserungsvorschläge blieben unbeachtet. Sein Gesundheitszustand verschlechterte sich. Nach einer letzten Auseinandersetzung am 12. November 1941 um angeblich gefälschte Versuchsergebnisse in seinem Stab resignierte er. Am folgenden Tag erschoss er sich. Vorher hatte er über sein Bett geschrieben „Eiserner, du hast mich verlassen.“, womit er Göring meinte.
Man könnte Udet auf keinen Fall als Teufel, sondern vielmehr als renitenten Opportunisten beschreiben, der in den teuflischen Intrigen des NS-Regimes zerrieben wurde. Ein verhinderter Widerstandskämpfer wie Carl Zuckmayers Figur des Generals Harras war er nicht. Außerdem ließen das Amt und die intrigante Natur des NS-Regimes das Amt des Generalluftzeugmeisters eigentlich nur das Scheitern zu. So war Udet denn auch nicht der einzige Generalluftzeugmeister, der Selbstmord beging. Sein Nachfolger Gerd Jeschonnek erschoss sich 1943.
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