Bo Hubschrauber MBB Bo 105: Ein Klassiker hat Geburtstag

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Wer am Kamener Kreuz vorbeifährt, kann den Bo Hubschrauber nicht übersehen – den gelben Rettungshubschrauber, der auf einer von acht Engelsskulpturen getragenen Plattform steht. Die Skulptur entstand nach einem Entwurf des Künstlers Alfred Gockel. Sie wurde in der Nacht vom 8. auf den 9. September 2011 auf einen Hügel im nordwestlichen Kleeblatt des Autobahnkreuzes aufgestellt. Zu Fuß ist sie nicht erreichbar.

Der Bo Hubschrauber Bo-105

Ein ehemaliger Rettungshubschrauber des ADAC dient jetzt als Denkmal am Kamener Kreuz. (#4)

Ein ehemaliger Rettungshubschrauber des ADAC dient jetzt als Denkmal am Kamener Kreuz. (#4)

Der Bo Hubschrauber ist eine Messerschmitt-Bölkow-Blohm (MBB) Bo 105 in der typischen ADAC-Bemalung. Diese oft „Gelbe Engel“ genannten Hubschrauber bildeten seit seiner Gründung das Rückgrat des deutschen Rettungsflugwesens.

Das Kunstwerk am Kamener Kreuz soll an sie und ihre Besatzungen erinnern, die unter oft schwierigen Bedingungen tausenden von Menschen das Leben retteten.

Eine zukunftsweisende Konstruktion

Die MBB Bo-105 des DLR bei einem Versuchsflug in unwegsamen Gelände. (#1)

Die MBB Bo-105 des DLR bei einem Versuchsflug in unwegsamen Gelände. (#1)

Die Bo 105 flog erstmals am 16. Februar 1967. Ihre Entwicklung begann 1961, als die Konstrukteure Ludwig Bölkow und Emil Weiland mit Studien für einen leichten, zweimotorigen Mehrzweck-Hubschrauber begannen. Ziel war ein geräumiger, leicht zu wartender und zu fliegender Helikopter für ein breites Spektrum ziviler und militärischer Aufgaben. Außerdem suchte die nach dem 2. Weltkrieg im Wiederaufbau befindliche Luftfahrtindustrie nach einem Produkt, mit dem sie Anschluss an den internationalen Markt finden konnte. Die damalige Bundesregierung förderte das Vorhaben mit Krediten, die MBB später in vollem Umfang zurückzahlte. Die Bo 105 war der erste zivile Hubschrauber mit zwei Propellerturbinen. Außerdem baute MBB den neu entwickelten gelenklosen Rotorkopf ein.

Video „Das erfolgsmodell Bo-105“

Die „gelben Engel“ gehen an den Start

Mit dem neuen Bo Hubschrauber wurde in Deutschland das Luftrettungsnetz aufgebaut. Heute eine Selbstverständlichkeit, wurden damals flächendeckend in größeren Städten Bo Hubschrauber stationiert, die speziell für den Krankentransport ausgestattet waren. „Christoph 1“, der erste Rettungshubschrauber Deutschlands, war eine MBB Bo 105. Die Bo 105 eignete sich mit ihrem nach hinten zu öffnenden Laderaum gut für diese Aufgabe. Im Prinzip wurden die neuen Rettungshubschrauber mit denselben Geräten ausgerüstet wie die Rettungswagen. Die Bo Hubschrauber wurden vom ADAC, der Deutschen Rettungsflugwacht, der Björn-Steiger-Stiftung und vom damaligen Bundesgrenzschutz betrieben.

Neben dem Transport von Unfallopfern ins nächste Krankenhaus wurden sie auch mehr und mehr für den Transport von Intensivpatienten genutzt. So flog Mitte der Neunziger Jahre eine Bo 105 unter dem Rufnamen „Christoph Hansa“ für ADAC-Luftrettung GmbH für diese so genannten Interhospital-Transfers.

Allerdings zeigte sich im neuen Jahrhundert ab, dass die Bo 105 den Anforderungen des Rettungseinsatzes immer weniger genügte. Die medizinische Ausrüstung an Bord wurde umfangreicher und schwerer. Besonders die Interhospital-Transfers erfordern intensivmedizinische Geräte, deren Gewicht die Leistungsreserven des Bo Hubschraubers aufzehrte.

Viele Länderpolizeien nutzten die Bo-105 in ihren Hubschrauberstaffeln. (#6)

Viele Länderpolizeien nutzten die Bo-105 in ihren Hubschrauberstaffeln. (#6)

Auch als Polizeihubschrauber machte sich die Bo 105 einen Namen. In vielen Bundesländern kam der Bo Hubschrauber bei leichten Transportaufgaben, der Verkehrsüberwachung und für viele andere polizeiliche Aufgaben zum Einsatz. Bis heute nutzen ihn viele Polizeiorganisationen in aller Welt.

Die Bo 105-Hubschrauber blieben bis 2010 im Einsatz, wurden dann aber ersetzt, weil sie den Lärmschutz- und Leistungsanforderungen nicht mehr gerecht wurden. Allerdings hatten vorher schon viele Betreiber begonnen, leistungsfähigere Nachfolger einzuführen. Oft waren das Weiterentwicklungen der Bo 105, etwa die zusammen mit der japanischen Firma Kawasaki entwickelte BK 117, aus der dann die Eurocopter EC 145 (heute Airbus H145) wurde. Ein anderes Nachfolgemuster kommt ebenfalls aus dem Hause Eurocopter – die EC 135, der zur Zeit wohl meistgebaute leichte Zivilhubschrauber der Welt. Auch die EC 135 beruht auf den mit der Bo-105 gesammelten Erfahrungen.

Ein leichter Mehrzweck-Hubschrauber für die Heeresflieger

Die Heeresflieger der Bundeswehr nutzten den Bo Hubschrauber in zwei verschiedenen Aufgabenbereichen. Ab Mitte der Siebziger Jahre erhielten sie 100 Maschinen als Verbindungshubschrauber und 212 weitere als Panzerjagd- oder Panzerabwehr-Hubschrauber (PAH-1). Dabei ersetzten die unbewaffneten Maschinen Verbindungshubschrauber die ältere Alouette II, die diese Rolle vorher abgedeckt hatte.

Panzerabwehrhubschrauber PAH-1

Die Panzerjagd-Maschinen waren mit sechs Lenkraketen vom Typ HOT ausgerüstet. HOT steht für „Higly subsonic, Optical Remote-Guided, Tube-Launched“, übersetzt etwa „hohe Unterschallgeschwindigkeit, optisch ferngesteuert, aus Werferrohr abgefeuert“.

Ein Panzerabwehr-Hubschrauber 2010 bei der Infoübung des Heeres in Munster. (#2)

Ein Panzerabwehr-Hubschrauber 2010 bei der Infoübung des Heeres in Munster. (#2)

Die von Euromissile produzierte Lenkwaffe fliegt mit hoher Unterschallgeschwindigkeit. Der Schütze lenkt sie, indem er das Ziel im Fadenkreuz behält. Der optische Dachsensor verfolgt das heiße Raketentriebwerk, sodass der Feuerleitcomputer über den Lenkdraht den Kurs korrigieren kann.

Die PAH-1 sollten in Einheiten oder Schwärmen von vier Bo Hubschraubern feindliche Panzer bekämpfen. Die Besatzung bestand aus Pilot und Kommandant, wobei der Kommandant auch die Waffenanlage bediente. Vor ihrem Einsatz flogen die Bo Hubschrauber in einen Verfügungsraum nahe der Kampfzone, wo sie aufgetankt und mit neuen Lenkwaffen bewaffnet werden konnten. Der Flug ins eigentliche Einsatzgebiet erfolgte dann möglichst dicht am Boden. Waldschneisen, Bodenwellen und Hügel wurden als Sichtdeckung genutzt, um den ungepanzerten Bo Hubschrauber dem feindlichen Abwehrfeuer zu entziehen.

Die einzelnen Schwärme nahmen idealerweise Feuerstellungen über Waldlichtungen, hinter Baumreihen oder Hügelkuppen, um aus dem Hinterhalt durchgebrochene Panzer zu bekämpfen. Zum eigentlichen Schuss stiegen sie kurz aus der Deckung, feuerten ihre Lenkraketen ab und zogen sich dann wiederum im Konturenflug in den Verfügungsraum zurück. Ein Schwarm PAH-1 sollte einen fünf Kilometer breiten Frontstreifen verteidigen. Am verwundbarsten waren die Bo Hubschrauber, wenn sie ihr Ziel auffassten, Raketen abfeuerten und dann die Raketen ins Ziel steuerten. Dazu musste der Kommandant nämlich das Ziel weiter anvisieren.

Anfang der Neunziger Jahre wurden die PAH-1 modernisiert. Sie erhielten einen digitalen Feuerleitrechner; äußerlich war die Modernisierung an der stufenartigen Anordnung der HOT-Startrohre zu erkennen. Hinzu kamen ein modifizierter Einlaufschutz, ein überarbeiteter Ölkühler für die Triebwerke und leistungsfähigere Rotorblätter.

Ursprünglich als Übergangslösung gedacht, blieben diese Maschinen bis 2013 im Einsatz, weil der eigentliche Kampfhubschrauber, der Eurocopter „Tiger“ erst nach langer Verzögerung ausgeliefert wurde. Danach dienten noch rund 100 Maschinen in der Ausbildung, weiterhin als Kuriermaschinen und als Transporter für Spezialkräfte, bis die letzten von ihnen im Dezember 2016 zurückgezogen wurden.

Von der Bo 105 wurden von 1970 bis heute 1640 Stück produziert, zunächst in Deutschland, später auch in Spanien, Kanada, auf den Philippinen und in Indonesien. Die Produktion in Deutschland endete 2001, während sie in Indonesien weiter läuft.

Die Bo 105 fliegt und fliegt und fliegt…

Diese Bo-105 hat KSK-Soldaten an Bord. Aufgenommen anlässlich der Infoübung Süd im September 2009. (#3)

Diese Bo-105 hat KSK-Soldaten an Bord. Aufgenommen anlässlich der Infoübung Süd im September 2009. (#3)

Die Bo 105 wurde in alle Welt exportiert. Die letzten in Deutschland produzierten Hubschrauber gingen als Rettungs- und Zivilschutz-Hubschrauber ans deutsche Innenministerium, die Polizei von Baden-Württemberg, nach Süd-Korea sowie an Polizeiorganisationen in Russland und in Griechenland.

Zivile Maschinen fliegen weiterhin als Polizeihubschrauber, für Such- und Rettungseinsätze, als Bedarfstransporter und Geschäftsreisemaschine, Kameraträger und für Forschungszwecke. Militärversionen dienen als leichte Transport- und Kurierhubschrauber, Aufklärer, zur Panzerabwehr, für Such- und Rettungsaufgaben und als Marinehubschrauber.

Eine Bo-105 der kanadischen Küstenwache bei einem Flug über dem St. Lorenz-Strom zwischen Quebec und Lévis. (#5)

Eine Bo-105 der kanadischen Küstenwache bei einem Flug über dem St. Lorenz-Strom zwischen Quebec und Lévis. (#5)

In den Marinen Mexikos, Indonesiens und Kolumbiens dienen Bo 105 als Bordhubschrauber von Kriegsschiffen und können mit Suchradar und entsprechender Bewaffnung auch zur U-Bootjagd und zur Seezielbekämpfung eingesetzt werden.

Bis 2006 flogen Panzerabwehrhubschrauber bei den niederländischen Luftstreitkräften, während die schwedischen Streitkräfte bis 2010 die Bo 105 als Kurier- und Aufklärungshubschrauber sowie ebenfalls zur Panzerabwehr nutzten. Zu den Nutzern gehörten und gehören zum Teil immer noch Länder wie Bahrein, Brunei, Chile, Kolumbien, Jordanien, der Irak, Peru, Trinidad und Tobago sowie der Sudan.

Bernd Vetter: das neue Buch zur MBB Bo 105

In den Achtziger Jahren gab es einen kleinen Skandal, weil Bo 105-Kampfhubschrauber aus der spanischen Lizenzfertigung in den Farben des irakischen Militärs auftauchten. Albanien erhielt jüngst ein Dutzend Maschinen aus deutschen Überschussbeständen.

Neben der Produktion in Deutschland bauten CASA in Spanien, die Philippine Aerospace Development Corporation auf den Philippinen und zwei indonesische Firmen die Bo 105 in Lizenz. Hinzu kam bis 2009 eine Fertigungslinie bei Eurocopter Canada, wo speziell die Bo 105 LS für Einsätze in arktischen oder heißen Klimazonen produziert wurde. CASA belieferte zivile Kunden in Spanien, die Polizei und die spanischen Streitkräfte. In Indonesien wird sie bis heute als NBo 105 gefertigt.

Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) nutzt bis heute eine speziell modifizierte Bo 105 für zahlreiche Forschungszwecke. Dazu gehören Untersuchungen zu den Flugeigenschaften von Bo Hubschraubern, lärmarme Landeanflüge, Einsätze mit experimentellen Wärmebildkameras, Assistenzsysteme für Piloten und das sichere Fliegen mit Außenlasten.


Bildnachweis: © #1 DLR, #2 Bundeswehr/Trotzki, Titelbild + #3 Bundeswehr/Winkler, #4 Gudrun Mayer via Wikimedia Commons, #5 Cephas via Wikimedia Commons, #6 High Contrast via Wikimedia Commons

Über den Autor

Mein Beruf ist das Schreiben; ich arbeite als freier Journalist, Texter und Buchautor. Das reicht für Leben und Modellbau, also auch für das eigentliche Leben. Beruflich wie als Modellbauer interessiert mich die Luftfahrt, speziell die der großen Luftfahrtländer. Ich baue auch gerne mal etwas, das aus dem Rahmen fällt. Hauptantriebskräfte: Neugier, Kaffee und ein guter Witz.

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