Leises und rauchloses Fliegen: Wie Elektromotoren Flugzeuge ohne Abgase möglich machen

0

So bequem das Reisen mit dem Flugzeug mittlerweile ist, so lästig sind immer noch Begleiterscheinungen wie Lärm und Abgase. Zwar wird jede neue Flugzeuggeneration leiser und sparsamer, aber bisher gab es keine brauchbaren Alternativen zum Verbrennungsmotor. Flugzeuge fliegen wie eh und je mit Antrieben, die Abgase produzieren. Anläufe, Flugbenzin und Kerosin durch Wasserstoff zu ersetzen, waren bislang erfolglos.

Mittlerweile fliegen jedoch eine ganze Reihe von Flugzeugen, die elektrisch angetrieben werden. Sie beziehen ihre Energie meist aus Batterien, aus Brennstoffzellen, in seltenen Fällen auch aus Solarzellen. Ermöglicht wird das durch die immer kompaktere und leistungsfähigere Technik. Außerdem ändert sich das politische Umfeld gerade. Die Europäische Kommission fordert bis 2050 drastische Senkungen von Abgasen und Lärm, nämlich 75 Prozent weniger CO 2 und 65 Prozent weniger Lärm pro Passagierkilometer. Elektrisch betriebene Flugzeuge könnten helfen, diese Ziele zu erreichen.

Die Brennstoffzelle macht elektrisches Fliegen möglich

Die „E-Genius“, aufgenommen im Juni 2015 bei ihrer Alpenüberquerung. (#2)

Die „E-Genius“, aufgenommen im Juni 2015 bei ihrer Alpenüberquerung. (#2)

Seit Herbst 2016 fliegt das erste mit Brennstoffzellen betriebene Passagierflugzeug der Welt, die HY4. Es startete am 29. September 2016 von Stuttgart aus zum Erstflug. Gebaut haben das Flugzeug Forscher und Ingenieure des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR). Mit dieser Technologie rückt das abgas- und schadstofffreie Fliegen in den Bereich des Machbaren.

Die Erbauer der HY4 stützen sich auf Erfahrungen, die sie vorher mit dem 2009 geflogenen Motorsegler Antares DLR-H2 sammeln konnten. Die H2, die beim DLR immer noch für Versuche genutzt wird, ist das erste ausschließlich mit Brennstoffzellen betriebene Flugzeug überhaupt.

Basis für die H2 ist ein Motorsegler vom Typ Antares 20E des Segelfugzeugbauers Lange Aviation. Den Antrieb der H2 bildet einen vom DLR entwickeltes Brennstoffzellen-System. Die beiden Tanks unter den Flügeln nehmen den für die Brennstoffzellen nötigen Wasserstoff auf. Die H2 erreichte bereits bei den ersten Testflügen Höhen um 2000 Meter.

2012 erhielt das Flugzeug ein stärkeres und kompakteres Brennstoffzellen-System. Es erreicht ein maximales Abfluggewicht von 875 Kilo und kann rund 750 Kilometer weit fliegen. Der Antrieb liefert rund 33 kW Leistung. Interessant ist der Wirkungsgrad einer Brennstoffzelle, der bei rund 52 Prozent liegt. Verbrennungsmotoren haben üblicherweise Wirkungsgrade zwischen 18 und 25 Prozent.

Rekordflüge mit Elektro-Kraft über die Alpen

Auch andere Konstruktionen haben mittlerweile die Leistungsfähigkeit des elektrischen Antriebs unter Beweis gestellt. So überquerten im Juni 2015 kurz hintereinander zwei elektrisch angetriebene Motorsegler die Alpen. Dabei bezog die „Elektra Solar One“ des deutschen Ingenieurs Calin Gologan ihren Strom aus 280 Solarzellen an Rumpf und Flügeln. Die an der Universität Stuttgart entwickelte „e-Genius“ nutzt dagegen Lithium-Ionen-Batterien.

Gologans „Elektra Solar One“ startete am 25. Juni 2015 von Unterwössen in Oberbayern und flog in 2 ½ Stunden über den Großglockner nach Lienz in Osttirol. Am Steuer saß Testpilot Klaus Plasa. Die Entfernung betrug rund 200 Kilometer. Wenige Tage später, am 2. Juli, legte das Flugzeug die Strecke in Gegenrichtung zurück und landete in Zell am See. Die „Elektra Solar One“ war am 23. März 2011 in Augsburg zum ersten Mal geflogen. Konstrukteur Calin Cologan arbeitete vorher als Zulassungs- und Entwicklungsingenieur bei Grob Aersopace. Er gründete die in Nesselwang ansässige Firma PC-Aero, um sein Flugzeug zu vermarkten. Das Unternehmen hat mittlerweile mit Elektra UAS zu Elektra Solar GmbH fusioniert. Cologan entwickelte auch einen Solarhangar, der mit 20 Quadratmeter Photovoltaik-Zellen ausgerüstet ist.

Die „Elektra Solar One“ hat ein maximales Startgewicht von 300 Kilogramm. Sie kann drei Stunden in der Luft bleiben und dabei zwischen 400 und 500 Kilometer weit fliegen. Nach der Alpenüberquerung ist das nächste Ziel ein Flug über das Mittelmeer. Außerdem arbeitet Cologan am Stratosphären-Flugzeug „Solarstratos“, mit dem die gleichnamige französische Firma (link https://www.solarstratos.com/en/plane/) Flüge in die Stratosphäre anbieten will – entweder für zahlende Passagiere, oder aber zu Forschungszwecken. Die „Solarstratos“ hatte ihr Roll-out Anfang Dezember 2016 und wird zur Zeit auf ihren Erstflug vorbereitet.

„e-Genius“ fliegt mit Strom über die Schweiz nach Italien

Kurz nach der „Elektra Solar One“ überquerte die „e-Genius“ die Alpen. Die „e-Genius“ ist ein zweisitziger, elektrisch betriebener Reisemotorsegler. Sie startete am 4. Juli 2015 kurz nach 4 Uhr morgens vom Flugplatz Hahnweide bei Stuttgart und landete nach zwei Stunden Flugzeit auf dem rund 320 Kilometer entfernten Flugplatz Calcinate del Pesce bei Varese und Lugano in Süditalien. Um die rund 3000 Meter hohen Alpengipfel in der Zentralschweiz zu übersteigen, kletterte der Motorsegler auf Höhen um 4000 Meter.

Am Steuer saßen der Testpilot und Alpenflieger Klaus Ohlmann sowie Konstrukteur Ingmar Geiß vom Institut für Flugzeugbau der Universität Stuttgart. In Calcinate Piemon warteten sie bis zum Nachmittag, um den Akkus Zeit zum Nachladen zu geben. Weil der Südhang der Alpen sehr steil ansteigt, nahmen sie auf dem Rückflug den Weg über den Gotthardpaß. Die Flugstrecke war mit 385 Kilometern deutlich länger als der Hinflug. Die „e-Genius“ brauchte für Hin- und Rückflug 83 kW pro Stunde, was einem Verbrauch von 9,2 Litern Flugbenzin entspricht.

Die „E-Genius“ nahm 2011 an der 'Green Flight Challenge' an der US-amerikanischen Westküste teil. (#3)

Die „E-Genius“ nahm 2011 an der ‚Green Flight Challenge‘ an der US-amerikanischen Westküste teil. (#3)

Das Flugzeug entstand unter der Leitung von R. Voit-Nitschmann und ist bereits das zweite in Stuttgart gebaute Flugzeug mit alternativem Antrieb. Gebaut wurde es zwischen Oktober 2010 und Mai 2011 in der Werktstatt des Instituts für Flugzeugbau. Am 25. Mai 2011 startete das Elektroflugzeug vom Werksflugplatz der Firma Grob Aircraft in Mindelheim zu Erstflug. Bereits während seiner Erprobung nahm es an der Green Flight Challenger an der US-amerikanischen Westküste teil. Bei diesem Wettbewerb wurde ein Flugzeug gesucht, das mindestens 320 km bei 160 km/h zurücklegen konnte. Die „e-Genius“ gewann den Lindbergh-Prize für das leiseste Flugzeug und erreichte den zweiten Platz in der Gesamtwertung.

Seit September 2016 fliegt das Flugzeug mit einem Wankelmotor, der die Batterien während des Fluges auflädt und so für eine größere Reichweite sorgt. „e-Genius“ ist auf dem Flugplatz Pattonville bei Stuttgart stationiert und dient der Universität Stuttgart weiterhin zur Erforschung des Elektroflugs.

„CriCri“ liegt vor dem Airbus „E-Fan“

Hugues Duval startet auf dem Aero Salon 2011 mit seiner auf elektrischen Antrieb umgerüsteten Colomban Cri Cri. (#4)

Hugues Duval startet auf dem Aero Salon 2011 mit seiner auf elektrischen Antrieb umgerüsteten Colomban Cri Cri. (#4)

Ebenfalls 2015 machten sich gleich zwei Betreiber von Elektroflugzeugen daran, den historischen ersten Flug über Ärmelkanal von 1909 zu wiederholen. Hier hatte der französische Pilot Hugues Duval mit seiner elektrifizierten „CriCri“ die Nase vorn, der am 9. Juli 2015 und einen Tag vor dem „E-Fan“ aus dem Hause Airbus von Calais nach Dover flog. Die „CriCri“, zu deutsch „Grille“, ist ein umgebautes konventionelles Leichtflugzeug.

Die „CriCri“ ist das kleinste und billigste zweimotorige Flugzeug der Welt. Entwickelt vom französischen Aerodynamik-Ingenieur Michel Colomban, flog die erste „CriCri“ am 19. Juli 1973. Sie bietet einem Piloten Platz und wird von zwei 7 kW starken Kettensägenmotoren beiderseits des Rumpfbugs angetrieben. Bis heute sind rund 200 Flugzeuge gebaut worden. Hugues Duval rüstete seine „CriCri“ mit vier Elektromotoren aus, von denen je zwei in einer Gondel gegenläufige Dreiblatt-Propeller antreiben. Die Akkumulatoren reichen für 250 km/h Höchstgeschwindigkeit und 110 km/h Reisegeschwindigkeit. Außerdem reicht die Energie für 15 Minuten Kunstflug.

Obwohl der „E-Fan“ durch Duvals Kanalflug ein bißchen schlecht aussah, blieb alles in der Familie. Den Umbau hatten unter anderem die EADS Innovation Works gefördert.

Der „E-Fan“ ist ein Elektroflugzeug von Airbus

Testpilot Didier Esteyne überquerte am 10. Juli 2015 mit dem Airbus „E-Fan“ den Ärmelkanal. (#5)

Testpilot Didier Esteyne überquerte am 10. Juli 2015 mit dem Airbus „E-Fan“ den Ärmelkanal. (#5)

Der „E-Fan“ von Airbus eine komplette Neuentwicklung des Luftfahrtkonzerns. Die zweisitzige Sportmaschine flog erstmals am 11. März 2014 im französischen Bordeaux. Auch der „E-Fan“ wirkt ungewöhnlich, weil der im Rumpf untergebrachte Motor zwei ummantelte Propeller an den Rumpfseiten antreibt. Der elektrische Antrieb ist 60 kW stark und bringt das Flugzeug auf eine Höchstgeschwindigkeit von 220 km/h. Die Batterien reichen zur Zeit für eine Flugdauer von rund 40 Minuten. Inzwischen hat Airbus den Prototypen mit einem kleinen Verbrennungsmotor ausgerüstet, der die Batterien während des Fluges nachlädt. Damit steigt die Flugdauer auf rund zwei Stunden.

Gegenwärtig plant Airbus, im Laufe dieses Jahres die Produktion aufzunehmen und 2018 die ersten Serienmaschinen auszuliefern. Außerdem ist eine viersitzige Version in Planung.

Träumen Flieger von elektrischen Flugzeugen?

Die Fortschritte, die das Fliegen mit Strom in den letzten Jahren gemacht hat, sind beachtlich. Derartige Flugzeuge werden sicherlich in Zukunft einen Teil der Luftfahrt prägen. Allerdings dürften noch Jahrzehnte vergehen, bis die elektrischen Antriebe so ausgereift und leistungsfähig sind, dass sie tatsächlich größere Verkehrsflugzeuge antreiben können. So dürften sich die Elektroflugzeuge zunächst als leichte Sportflugzeuge, Motorsegler und Trainingsflugzeuge etablieren. Auch sind größere Brennstoffzellen-Flugzeuge denkbar, die im regionalen Luftverkehr eingesetzt werden. Allerdings reicht es für eine erfolgreiche Markteinführung nicht, einfach dieselben Leistungen zu erbringen wie konventionelle Flugzeuge. Die Geschäftsmodelle für Elektro-Flugzeuge müssten substantiell bessere Erträge bringen, um Fluggesellschaften von ihrem Nutzen zu überzeugen. Auch ein verändertes rechtliches Umfeld mit strikteren Lärmschutz- und Umweltschutzvorschriften sowie steigende Treibstoffpreise würden eine Rolle spielen.


Bildnachweis: © #1 DLR, #2 e-Genius11 via Wikimedia Commons, #3 NASA/Bill Ingalls, #4 Anubis2202 via Wikimedia Commons, Titelbild Airbus

Über den Autor

Mein Beruf ist das Schreiben; ich arbeite als freier Journalist, Texter und Buchautor. Das reicht für Leben und Modellbau, also auch für das eigentliche Leben. Beruflich wie als Modellbauer interessiert mich die Luftfahrt, speziell die der großen Luftfahrtländer. Ich baue auch gerne mal etwas, das aus dem Rahmen fällt. Hauptantriebskräfte: Neugier, Kaffee und ein guter Witz.

Lassen Sie eine Antwort hier