Die „Mars Express“-Sonde: Software-Upgrade und Bilder eines Super-Vulkans

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„Mars Express“ ist eine Raumsonde der europäischen Weltraumagentur ESA (European Space Agency). Es ist die erste interplanetarische Mission Europas. Obwohl nur für eine Missionsdauer von wenigen Jahren gebaut, umkreist sie mittlerweile seit fast 15 Jahren den Roten Planeten.

Der „Mars Express“ Start

Sie startete 2003 an der Spitze einer russischen Trägerrakete vom Kosmodrom Baikonur und brachte den britischen „Beagle“-Marslander zu unserem kosmischen Nachbarn.

Nur die US-amerikanische „Mars Odyssey“-Mission ist länger aktiv – sie begann 2001. Für „Mars Express“ stand jüngst ein Upgrade der Software an. Außerdem funkte sie Anfang des Jahres spektakuläre Bilder eines erloschenen Super-Vulkans zur Erde.

Warum „Mars Express“ neue Software brauchte

Die europäische Raumsonde ist mittlerweile seit beinahe 15 Jahren im Marsorbit. Sie erreichte den Mars im Dezember 2003 und ist seitdem ununterbrochen in Betrieb. Eine Werkstatt, in der abgenutzte Komponenten ausgetauscht werden können, wie etwa bei einem Auto, gibt es nicht. Nun zeigten aber die Kreisel, mit der „Mars Express“ seine stabile Position hält und sich gelegentlich neu ausrichtet, erreichen bald das Ende ihrer Lebensdauer.

Allerdings sind sie für den störungsfreien Betrieb der Sonde unverzichtbar. „Mars Express“ verfügt über sechs Kreisel oder Gyroskope. Sie messen, wie stark die Sonde sich um ihre drei Achsen dreht. Zusammen mit zwei so genannten ‚Startrackern‘ kontrollieren sie die Ausrichtung der Sonde im All. Davon hängt ab, ob die Antennen immer auf die Erde ausgerichtet sind und ob die Sensoren das richtige Zielgebiet auf dem Mars anvisieren.

Grafische Darstellung der „Mars Express“-Sonde. Sie umkreist seit rund 15 Jahren den Mars. (#1)

Grafische Darstellung der „Mars Express“-Sonde. Sie umkreist seit rund 15 Jahren den Mars. (#1)

Ein Startracker ist eine Kamera, die immer auf bestimmte Referenzsterne ausgerichtet ist. Die Kamera nimmt im Sekundenabstand Schnappschüsse auf. So hält die Sonde jederzeit ihre korrekte Ausrichtung. Die Messergebnisse der Kreisel überbrücken die Lücken, die zwischen den einzelnen Schnappschüssen der Startracker entstehen. Oder wenn die Startracker ihre Referenzsterne aus dem Blick verlieren. Das passiert gelegentlich und kann zwischen wenigen Minuten und mehreren Stunden dauern.

Ohne Gyros wäre „Mars Express“ nicht funktionsfähig. Und die Kreisel zeigten Abnutzungserscheinungen: „Nachdem wir Variationen in der Intensität der Laser, die in den Gyros installiert sind, untersucht hatten, erkannten wir im letzten Jahr, dass vier der sechs Gyros demnächst ausfallen würden“, sagt James Godfrey, der bei der ESA für den Betrieb von „Mars Express“ verantwortlich ist. „Mars Express wurde nicht dafür entworfen, ständig ohne funktionsfähige Gyros zu fliegen“, so Godfrey weiter, „also rechneten wir irgendwann zwischen Januar und Juni 2019 mit dem Ende der Mission.“ Nun war guter Rat teuer, denn „Mars Express“ liefert wichtige Erkenntnisse auf für zur Zeit in Vorbereitung befindliche neue Flüge zum Roten Planeten.

Ein voller Erfolg – Software-Update für „Mars Express“

Allerdings wussten die Ingenieure aus ihrer Erfahrung mit anderen Langzeitmissionen, dass es möglich war, auch zu fliegen, wenn die Gyros nur gelegentlich benutzt wurden. Dann orientierte sich die Sonde primär mit Hilfe der Startracker und schaltete die Gyros nur gelegentlich ein. So ließ sich deren Lebensdauer verlängern. Aber dazu waren Veränderungen an der Software von „Mars Express“ nötig. „Mit meist ausgeschalteten Gyros nach den Startrackern zu fliegen, hieß, einen großen Teil der 15 Jahre alten Software neu zu schreiben, und das wäre eine echte Herausforderung“, sagt Simon Wood, einer der für die „Mars Express“-Mission zuständigen Ingenieure.

Dieses Mosaik zeigt den vermutlichen Super-Vulkan Ismenia Patera in der Region Arabia Terra. (#2)

Dieses Mosaik zeigt den vermutlichen Super-Vulkan Ismenia Patera in der Region Arabia Terra. (#2)

Zwar wurden sie von den Herstellern der Sonde unterstützt. Aber den Löwenanteil der Arbeit mussten die Teams bei der ESA selbst leisten. „Uns half, dass wir Code, der schon auf der „Rosetta“-Mission geflogen ist, in die „Mars Express“-Steuersoftware transplantieren konnten.“ Tatsächlich haben „Mars Express“, die Kometen-Sonde „Rosetta“ und „Venus Express“ eine weitgehend gleiche Grundkonstruktion. Nur die missionsspezifische Ausrüstung unterscheidet sich beträchtlich.

Die nötige Arbeit dauerte mehrere Monate. „Wir wussten nicht, ob so eine massive Änderung möglich war“, erinnert sich Simon Wood, „besonders, weil wir in einem Wettlauf gegen die Zeit sein würden, die Arbeit abzuschließen. Das hatte bisher niemand gemacht. Aber angesichts des Beinahe-Endes der Mission hat etwas zu einer übertragungsfertigen, vollständigen Überarbeitung geführt, das an einem Nachmittag im letzten Sommer als wilde Spekulation während einer Teepause begonnen hatte.“

Gesendet wurde die neue Software am 10. April 2018. Sechs Tage später fuhr die Bodencrew „Mars Express“ herunter und initiierte einen Neustart – so als würde man einen PC nach einem Software-Update neu starten, um die neue Software zu aktivieren.

Der Virtuelle Überflug von Mawrth Vallis im Video

Video: ESA/DLR/FU Berlin

Das Video wurde aus „Mars Express“-Bildern zusammen gestellt und zeigt einen Flug über eines der großen Canyon-Systeme auf dem Mars. Mawrth Vallis ist 600 Kilometer lang und stellenweise zwei Kilometer tief. Es liegt in der Grenzregion zwischen dem Hochland auf der Südhalbkugel und dem Tiefland auf der Nordhalbkugel des Roten Planeten.

Der Film beginnt mit einem Blick auf die Mündung des Flußsystems in die Chryse Planitia-Ebene und folgt dem Canyon dann nach Süden ins Hochland von Arabia Terra. Beim Heranzoomen zeigen sich helle und dunkle Ablagerungen aus Tonmineralien, ein Zeichen dafür, dass hier in einer fernen Vergangenheit Wasser geflossen ist. Weil die Möglichkeit besteht, dass sich im Mawrth Vallis Spuren eines früheren und belebten Mars finden lassen, haben Wissenschaftler die Region aus mögliche Landestelle für die „ExoMars 2020“-Mission vorgeschlagen. Die Mission soll erstmals Bodenproben vom Mars zurück zur Erde bringen.

„Mars Express“ fotografiert erloschenen Super-Vulkan

Ob es auf dem Roten Planeten jemals Leben gegeben hat, ist umstritten. Aber Spuren von Vulkanismus sind überall auf dem Mars zu finden. Einen erloschenen Super-Vulkan nahm „Mars Express“ Anfang des Jahres auf. Die ESA hat jüngst einige der Bilder publiziert. Sie zeigen Ismenia Patera, einen 75 Kilometer durchmessenden Krater, dessen lateinischer Name übersetzt schlicht „Flache Schüssel“ lautet. Er liegt im Arabia Terra-Hochland auf der marsianischen Südhalbkugel. Das Zentrum des Kraters ist umgeben von Hügeln, sowie grosse Blöcke und Klumpen aus Fels, die wohl durch Meteoriteneinschläge in der Nähe hineingefallen sind.

Ob es sich bei der „Flachen Schüssel“ wirklich um einen erloschenen Vulkan handelt, ist jedoch noch unklar. Es könnte sich um einen Super-Vulkan handeln, wie man ihn auf der Erde unter dem Yellowstone-Gebiet findet. Irgendwann in der fernen Vergangenheit ist Ismenia Patera in einer katastrophalen Eruption explodiert und in sich zusammengebrochen. Aber Forscher halten es genauso für möglich, dass hier ein Meteor eingeschlagen ist und einen Krater hinterlassen hat, dessen Wände später eingestürzt sind.

Dass es aktive Vulkane auf dem Mars gegeben hat, ist allerdings an mehreren Stellen sichtbar. Am auffälligsten ist Olympus Mons, ein gigantischer Schildvulkan, der sogar aus der Marsatmosphäre herausragt. Er ist der größte Vulkan, den man jemals im Sonnensystem gefunden hat.

Ismenia Patera, aus dem Orbit aufgenommen. (#3)

Ismenia Patera, aus dem Orbit aufgenommen. (#3)

Auch Arabia Terra selbst zeigt viele Hinweise auf eine rumpelnde und feuerspuckende Vergangenheit. Bestimmte Eigenschaften der Oberflächenmerkmale in Arabia Terra deuten auf einen vulkanischen Ursprung hin: zum Beispiel ihre unregelmäßigen Formen, ihr geringes topographisches Relief, ihre relativ hochgezogenen Ränder und ihr offensichtlicher Mangel an ausgestoßenem Material, das normalerweise um einen Einschlagkrater herum vorhanden sein würde.

Ob Ismenia Patera, wie es die Bilder nahelegen, vulkanischen Ursprungs ist, oder aber ein schlichter Meteorkrater, müssen weitere Forschungen zeigen.

„Mars Express“ – Die längste europäische Marsmission

Die „Mars Express“-Mission startete am 2. Juni 2003 vom russischen Weltraumbahnhof Baikonur und erreichte den Mars ein halbes Jahr später. Ursprünglich bestand das Unternehmen aus zwei Komponenten: Dem „Mars Express“-Orbiter und der Landekapsel „Beagle 2“, die überwiegend von britischen Wissenschaftlern gebaut worden war.

„Mars Express“ sollte den Mars vermessen und kartografieren. Hinzu kamen Untersuchungen der Mineralogie sowie der Prozesse in der Marsatmosphäre und deren Wechselwirkung mit dem interplanetaren Medium. Spezielles Bodenradar untersuchte außerdem den Boden und seinen Untergrund bis hinunter zur Permafrostschicht. Zu den Daten, die „Mars Express“ liefert, gehören hochauflösende Bilder der Marsoberfläche.

„Beagle 2“ war ein Fehlschlag. Die Sonde löste sich planmäßig von „Mars Express“ und trat in Marsatmosphäre ein. Dabei riss der Funkkontakt mit der Erde ab. Das Schicksal der Sonde blieb lange ungeklärt. Schließlich fotografierte der „Mars Reconnaissance Orbiter“ der NASA im Juni 2014 die Landestelle von „Beagle 2“. Bei der der Auswertung der Bilder stießen Wissenschaftler im Januar 2015 dann auf die weich gelandete Sonde. Die Solarflächen hatten sich teilweise geöffnet, und in der Nähe lagen der Fallschirm und eine abgeworfene Abdeckung. Eigentlich hatte „Beagle 2“ Bodenproben nehmen und vor Ort untersuchen sollen.

„Mars Express“ lieferte neben reichhaltigem Datenmaterial vom Mars auch Bilder der Marsmonde Deimos und Phobos. Das Bodenradar sammelte zudem Informationen über Ablagerungen von Wassereis unter der Oberfläche. Außerdem konnten Wissenschaftler mit Hilfe eines Spektrometers die bisher genaueste Karte von der Zusammensetzung der Marsatmosphäre anfertigen. „Mars Express“ sollte ursprünglich nur zwei Jahre aktiv bleiben, aber die Mission wurde wegen der wertvollen Ergebnisse immer wieder verlängert. Der neueste Software-Upgrade sichert den Betrieb der Sonde auf für die nächsten Jahre.


Bildnachweis: Titelbild: ©ESA/DLR/FU Berlin, – #01: Illustration: ©ESA, – #02: Illustration: ©FU Berlin/ESA, – #03: ©ESA/DLR/FU Berlin

Über den Autor

Mein Beruf ist das Schreiben; ich arbeite als freier Journalist, Texter und Buchautor. Das reicht für Leben und Modellbau, also auch für das eigentliche Leben. Beruflich wie als Modellbauer interessiert mich die Luftfahrt, speziell die der großen Luftfahrtländer. Ich baue auch gerne mal etwas, das aus dem Rahmen fällt. Hauptantriebskräfte: Neugier, Kaffee und ein guter Witz.

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